Frauenbilder bei PERRY RHODAN – Teil zwei Eine Kolumne von Rainer Nagel über weibliche Charaktere

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28. Dezember 2021

Der Roman »Im ewigen Krieg« (Band 3144) von Susan Schwartz erschien im November 2021; als redaktionelle Beilage enthielt er einen PERRY RHODAN-Report. In diesem wiederum wurde ein Artikel von Rainer Nagel veröffentlicht. Der langjährige PERRY RHODAN-Experte setzte sich darin mit der Darstellung von Frauen im Rahmen der größten Science-Fiction-Serie der Welt auseinander.

Diesen Beitrag dokumentieren wir auch an dieser Stelle. Wegen seines Umfangs bringen wir ihn in drei Teilen: gestern Teil eins und heute Teil zwei mit dem Abschluss.

 

Gegen die Schleicherotik
Die Autoren wollten es aber nicht übertreiben mit der Erbauung der Herren. Männer und attraktive Frauen – da droht unterschwellige Erotik, und das war in der Scheer-Zeit ein Tabu. Heiko Langhans beschreibt in »Karl-Herbert Scheer. Konstrukteur der Zukunft« (Seite 31f.), wie 1956 bis 1958 die ersten neun Bände einer von Scheer unter dem Pseudonym Klaus Tannert geschriebenen Romanreihe um einen Testpiloten und Geheimagenten indiziert wurden, da es dort unter anderem, so Langhans auf Seite 31, zu »intensiven Kontakten mit dem weiblichen Geschlecht kam«. Vermutlich hat diese Indizierung bei Scheer nachgewirkt.

Heiko Langhans zitiert auf Seite 32 aus dem Exposé von PERRY RHODAN 119 (1963): »… auch die sogenannte Schleicherotik muss vermieden werden. Unter Schleicherotik versteht man die Schilderung von Blicken auf weibliche Personen, Schilderungen von Gedanken und Überlegungen, die mit den Vertreterinnen des ›schönen Geschlechts‹ etwas zu tun haben könnten. Wenn Frauengestalten auftauchen, auf keinen Fall in Betrachtungen zum Verhältnis zwischen den Geschlechtern abschweifen, sondern vielmehr das menschlich Wertvolle, Große und Kameradschaftliche in den gegenseitigen Beziehungen hervorheben …«

Und so kann es auch nichts werden mit Perry Rhodan und Anne Sloane, zumal natürlich keiner der beiden auf die Idee kommt: Die arme Anne verehrt (wie alle anderen in der frühen Serie) ihren »Chef« eher platonisch – eben kameradschaftlich. Sie heiratet später (nachdem sie bereits bei Betty Toufry ihre Qualitäten als Ersatzmutter zeigen durfte) mit Ralf Marten standesgemäß einen Mit-Mutanten. Im Sinne der Idee der Kernfamilie haben sie mit Laury Marten eine Mutantentochter, gleichwohl die Ehe (etwas ungewöhnlich für die Sechziger) nicht lange hält.

Thora und Rhodan hingegen … ja, nun, die das Universum erbenden Terraner fangen damit an, sich das Arkon-Imperium zu unterwerfen, und stellvertretend dafür unterwirft sich Perry Rhodan dessen zu diesem Zeitpunkt prominenteste Vertreterin.

Wie das so ist, wird Thora schließlich Perry Rhodans Ehefrau (der Heiratsantrag findet sich in Clark Darltons Kurzgeschichte »Der Flug nach Eden«, erstmals erschienen 1975 in englischer Sprache in Band 68 und 69 der US-Ausgabe der Serie, 1979 in der Übersetzung von Rosemarie Heinemann erstmals auf Deutsch im PERRY RHODAN-Magazin 5/79 und nachgedruckt 2014 im PERRY RHODAN-Planetenroman 30). Und sobald sie verheiratet ist, wird sie an Rhodans Seite blasser und blasser, bis sie schließlich im Realjahr 1967 in Kurt Brands PERRY RHODAN 78, »Thoras Opfergang«, erschossen wird.

Befassen wir uns noch mit einer anderen Ausprägung des Frauenbildes: Tatjana Michalowna, Agentin im Dienst des Overhead in Heft 26, »Duell der Mutanten« von Clark Darlton (1962), mit dem Auftrag, mittels einer Bombe ein Passagierflugzeug zu zerstören. Michalowna ist der Klassiker des Klischees der Hardcore-Agentin, die vom guten westlichen Helden geläutert wird. Wie eine Bond-Gegenspielerin kippt sie recht schnell um, als sie mit Rhodan redet, der nicht einmal seine damals noch vorhandene Suggestionsgabe zum Einsatz bringen muss. Ob sie Bomben in Flugzeugen legt oder (wie die unglaublich plotgenau benannte Pussy Galore in »Goldfinger«) Betäubungsgas auf Fort Knox schießt, ist letztlich egal.

Der Film »Goldfinger« kam erst zwei Jahre später in die Kinos, ich weiß. Die Bond-Romane von Ian Fleming indes gab es schon länger, und Pussy Galore taucht auch im gleichnamigen Buch von 1959 auf. Dieser spezielle Typ Frau war also in der Literatur bekannt. Eine weitere Parallele ist, dass der Overhead eine Mutantin engagiert, die er nicht kontrollieren kann. Hiermit schafft sich die Handlung eine Achillesferse, damit Rhodan Zugang zum Chefgegner erhält.

Tatjana Michalowna ist keine besonders bekannte Figur; sie erhält zwar eine Zelldusche, aber keinen Zellaktivator. Ihren größten Auftritt hat sie außerhalb der Romanserie – in Rainer Castors Arkon-Trilogie, in der sie zur »Feuerfrau« wird und sogar eine Affäre mit Atlan haben darf. Da sind wir aber schon in den späten Neunzigerjahren. Eine sehr schöne Charakterisierung erhält sie zudem in PERRY RHODAN-Action 33, »Zwischen 42 Welten« von Alexander Huiskes (2009).

Heißt dies also, dass heute alles besser ist? Nicht immer, aber größtenteils schon. Nach einigen misslungenen Versuchen (sagen wir … Jennifer Thyron) konnte sich die Serie aus dem Schatten des Scheer’schen Frauenbildes lösen, etwa mit Charakteren wie Dao-Lin-H’ay.

Und was ist mit Sichu Dorksteiger? Eingeführt als Kämpferin und Wissenschaftlerin, später dann die fünfte Gattin von Perry Rhodan? Verblasst sie auch, wie Thora? Nun, bislang hält sie sich recht gut als eigenständige Figur. Hoffen wir, dass es so bleibt.

 

Perry Rhodan 3144: Im ewigen Krieg
Susan Schwartz
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845361444
1,99 €
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Perry Rhodan 3144: Im ewigen Krieg
Susan Schwartz
Pabel Moewig Verlag KG
ISBN/EAN: 9999900006605