Ein Vierteljahrhundert nach dem Gastroman – Teil drei Andreas Eschbach in einem Interview

6. Dezember 2023

Im Rahmen des PERRY RHODAN-Reports, der vierwöchentlichen Beilage zur PERRY RHODAN-Serie, erschien ein Interview mit Andreas Eschbach. (In Band 3240, »Ewig lebe der Ganjo!« von Robert Corvus.) Die Fragen stellte Olaf Brill.

Es ging um den ersten Gastroman zur Serie, der 1998 veröffentlicht worden war. Dieses Interview dokumentieren wir an dieser Stelle. Wegen des erhöhten Umfangs bringen wir es in drei Teilen.

 

 

Brill: Erzähl doch bitte mal aus Sicht des 11-jährigen Jungen, der die PERRY RHODAN-Serie entdeckt, wie du Bull damals wahrgenommen hast und warum er für dich zu so einer besonderen Figur geworden ist.

Eschbach: Wie wohl die meisten habe ich Reginald Bull zu Anfang so wahrgenommen, wie er, denke ich, auch konzipiert war: als Gegenpol zu Rhodan, emotionaler als dieser, ihm intellektuell aber unterlegen und außerdem weniger gut aussehend. Es gab diese Figur, weil ein Held, schlicht gesagt, jemanden braucht, mit dem er reden kann. Und als Leser will man immer entweder Old Shatterhand oder Winnetou sein, aber nie Sam Hawkins.

Doch auch ein Sam Hawkins hat natürlich eine eigene Geschichte, und wenn man will, kann man das ganze Abenteuer auch aus seiner Sicht schildern oder zumindest verstehen. Man muss nur beschließen, die Figur ernst zu nehmen. Und was Bull betrifft, habe ich das getan, als ich jenes Interview mit ihm geschrieben habe.

Bull ist lange als Witzfigur gezeichnet worden, als Opfer von Guckys Streichen, als derjenige, der die dummen Sachen sagt, damit andere glänzen können. Das war lustig, manchmal zumindest, machte ihn aber uninteressant. Ihn anders zu betrachten, begann für mich damit, dass ich irgendwann diese ganzen »Mächtigen« mit ihren Sporenschiffen und Kosmischen Burgen anders zu sehen begann: Ja, sagte ich mir, die sind mächtig – aber sie sind nicht frei. Sie mögen unsterblich sein, aber sie haben kein Leben, sondern nur eine Funktion in einem großen Ganzen.

Und wozu gibt es dieses große Ganze letzten Endes? Nun – für gewöhnliche Leute wie dich und mich, seien wir Menschen oder Aliens, auf jeden Fall Wesen, die sterblich und relativ ohnmächtig sind.

Letztlich geht es darum, dass wir herausfinden können, was wir können oder mit unserem Leben anfangen wollen, und es dann zu tun, um zu streben und zu irren und so weiter, ohne dass wir von explodierenden Galaxien belästigt werden. Die Zellaktivatorträger sind auch schon ein Stück weit weg von einem normalen Leben und in der Gefahr, nur noch Funktionsträger zu sein und keine freien Individuen mehr. Unter diesem Gesichtspunkt erschien mir Bully als derjenige, der sich noch am meisten Bodenständigkeit und »pursuit of happiness« bewahrt hat, und um das mal genauer auszuleuchten, bin ich auf die Idee gekommen, ihn einfach mal zu interviewen.

 

Brill: »Der Gesang der Stille« ist damals wahnsinnig gut angekommen. Ich hab ihn am Tag des Erscheinens gelesen und war begeistert. Viele Leser halten ihn noch heute für einen der besten PERRY RHODAN-Romane überhaupt. Das war einfach einer dieser Momente, wo die Serie gezeigt hat, zu welchen Höhen sie vorstoßen kann.

Für dich war damit der Jugendtraum erfüllt und eigentlich abgehakt. Dein zweiter Gastroman erschien erst sieben Jahre später. Aber ich nehme an, dir war schon von Anfang an klar, dass du der PERRY RHODAN-Serie auf besondere Weise verbunden bleiben würdest?

Eschbach: Dass ich weitere Hefte schreiben würde, war keineswegs von Anfang an klar. Kurz nach dem »Gesang der Stille« erschien ja mein Roman »Jesus Video« – tatsächlich musste das Schreiben des Gastromans und die Überarbeitung des Manuskripts für meinen ersten richtig dicken Roman terminbedingt parallel laufen; arbeitsreiche Wochen! –, und in der Folge hat sich meine Situation, was das Schreiben anbelangt, dann ja drastisch geändert. Ich war nicht mehr ein freiberuflicher ITler, der nebenher schreibt, sondern hauptberuflicher Schriftsteller, war bei einem anderen Verlag usw., und dem musste ich die Idee, dass ich nochmal einen Heftroman schreibe, erst wieder »verkaufen«.

 

Brill: In den 25 Jahren seit »Der Gesang der Stille« ist viel geschehen. Die Welt hat sich verändert. Die PERRY RHODAN-Serie hat sich verändert. Wir haben 40, 50 und 60 Jahre PERRY RHODAN gefeiert, Band 2000 und 3000, und du hast viele weitere besondere Beiträge für die Serie geschrieben, von einer STELLARIS-Geschichte bis zum 848-seitigen Prequel (»Perry Rhodan – Das größte Abenteuer«, 2019). Was denkst du, wie unterscheidet sich die Serie heute von der aus dem Jahr 1998 und wie wird es weitergehen?

Eschbach: Ich finde die Serie heute phantasievoller und unvorhersagbarer, mit anderen Worten, interessanter denn je. Wenn ich tausend Bände zurückdenke, dann meine ich, dass die Zyklen damals ziemlich selbstähnlich abliefen: Unüberwindliche Feinde tauchen aus Sternentiefen auf, bedrohen ausgerechnet die Erde, Rhodan fliegt hin, findet deren Schwachstelle und ein Kryptonit, um sie zu besiegen, Ende des Zyklus.

Inzwischen knöpft man erfreulicherweise wieder an die Voltz’sche Strategie an, zyklenübergreifend zu denken und zu planen, zum Beispiel einen Weltenbrand anzukündigen, ihn am Zyklusende wie einen haltlosen Vorwurf aussehen zu lassen … und ihn ein paar hundert Hefte später dann doch zu zünden! Das war schon großes Kino. Und derzeit baumeln viele lose Fäden herum, die in einem unerwarteten Moment wieder auftauchen können – zum Beispiel, aber nicht nur, Reginald Bull, der Quintarch.

 

Brill: Zum Schluss muss ich natürlich versuchen, eine Information über dein aktuelles Projekt aus dir herauszukitzeln. Ich nehme an, du arbeitest wieder an einem dicken Buch, das vermutlich 2024 erscheinen wird. Kannst du uns darüber schon etwas verraten?

Eschbach: Ich kann verraten, dass deine Vermutung stimmt: Es wird dick, und es soll 2024 erscheinen. Und … es wird mal wieder was ganz anderes.

Perry Rhodan 1935: Der Gesang der Stille
Eschbach, Andreas
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845319346
1,99 €
(inkl. MwSt.)
Download
In den Warenkorb
Perry Rhodan 3240: Ewig lebe der Ganjo!
Robert Corvus
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845362403
1,99 €
(inkl. MwSt.)
Download
In den Warenkorb