PERRY RHODAN und die Exposésteuerung – Teil eins Kolumne von Christian Montillon über die wöchentliche Ideenarbeit

10. Dezember 2021

Im September 2021 wurde die PERRY RHODAN-Serie bekanntlich sechzig Jahre alt. Zu diesem Anlass erschien ein PERRY RHODAN-Sonderband, der über den Zeitschriftenhandel sowie als E-Book vertrieben wurde. Enthalten war auch ein Artikel von Christian Montillon, einem der zwei Exposéautoren.

Sein Blick auf die eigene Arbeit soll an dieser Stelle dokumentiert werden. Wegen seines Umfangs bringen wir ihn in zwei Teilen: heute Teil eins, morgen Teil zwei.

 

Nutzen und Notwendigkeit

PERRY RHODAN-Romane entstehen bekanntlich nach einem Exposé – also nach einer inhaltlichen Vorgabe. Das ist zunächst notwendig, weil mehrere Autoren gleichzeitig an verschiedenen Romanen arbeiten, die eine fortlaufende Geschichte erzählen. Man kann nicht warten, bis der Vorgängerband geschrieben ist.

Aber was bedeutet das? Raubt man dem Autor (oder der Autorin, die im Folgenden selbstverständlich immer mitgedacht ist) dadurch die Kreativität, die eigene Stimme, den eigenen Stil?

Ich versuche, mich dieser Frage anhand einer Reise durch meine persönliche Arbeit für PERRY RHODAN zu nähern.

Davor …

Beginnen wir vor über dreißig Jahren, im November 1990. Damals war ich gerade sechzehn Jahre alt und natürlich noch nicht für unsere PERRY RHODAN-Serie tätig.

Ich kaufte in jenem Monat meinen ersten PERRY RHODAN-Roman, Band 928 der dritten Auflage mit dem Titel »Solo für einen Androiden«. Warum ich mich dazu entschied, ist mir noch genau in Erinnerung: Es war die Schuld des Autors, Ernst Vlcek. Ich kannte ihn bereits von einer anderen Serie (»Dämonenkiller«) und dachte, dann kann diese Weltraumserie so schlecht nicht sein, wenn er dort ebenfalls mitschreibt.

Als Leser hatte ich nicht die geringste Ahnung von Hintergründen wie der Exposésteuerung. In meinem Fall brachte mich Ernst Vlcek dazu, den ersten Roman zu kaufen – gefolgt von einem Doppelband von William Voltz. Dass dieser Voltz ganz anders schrieb, habe ich auch als Teenager bemerkt.

Die Serie hat also für mich funktioniert, ohne dass ich etwas von Exposés wusste. Es dauerte lange, bis ich darüber etwas herausfand. Zu meiner Entschuldigung sei angeführt, dass man damals nicht mit einem Klick im Internet Informationen sammeln konnte.

Wir halten fest: Als Leser muss man nichts darüber wissen.

Doch ist es deswegen irrelevant für den Leser? Auf den ersten Blick – ja. Aber wie sieht es mit dem zweiten aus? Und dem dritten, vierten, dem zehnten vielleicht, wenn man immer tiefer in PERRY RHODAN einsteigt? Denn irgendwie prägten die jeweiligen Exposéautoren die Serie ja schon.

Am Anfang …

Springen wir etliche Jahre vorwärts. Dafür eignet sich ein Zitat aus der Leserkontaktseite eben jenes Heftes 928 der dritten Auflage. Arndt Ellmer schrieb dort: »Perry Rhodan-Autor kann man vermutlich gar nicht werden. Man muß schon dazu geboren sein.« Wenn das stimmt, traf es auf mich zu.

Wir befinden uns nun im Jahr 2004.

Und ich befinde mich in Rastatt, in den Räumen der PERRY RHODAN-Redaktion. In den vergangenen vierzehn Jahren hatte ich einen Riesenberg an Romanen aus dem Perryversum gelesen. Weil ich an anderen Stellen einiges veröffentlicht hatte, trieb mich der Übermut (oder das Geburtsrecht, wenn es nach Arndt Ellmer geht) an, mich bei PERRY RHODAN zu bewerben. Was wiederum zu einer Einladung in den Verlag führte.

Inzwischen wusste ich zwar, dass hier nach Exposés geschrieben wird – aber mir war nicht klar, was das bedeutet. Gewiss, ich hatte diffuse Vorstellungen, und natürlich liebte ich, wie wohl die meisten langjährigen Stammleser, die Phase des einen Exposéautors mehr als die des anderen.

Und nun stand mir die Reifeprüfung bevor: Ich würde einen Roman aus dem Perryversum schreiben. Einen ATLAN-Band. Und das hieß: Ich durfte zum ersten Mal im PERRY RHODAN-Universum nach einem Exposé arbeiten, das ein anderer verfasst hatte.

Moment – durfte ich das tatsächlich? Oder musste ich es? Mich einzwängen lassen in Ideen, die einem fremden Gehirn entsprungen waren? Dem von Uwe Anton in diesem Fall.

Ich schrieb also meinen ersten Roman im Umfeld von PERRY RHODAN und setzte dabei akribisch um, was im Exposé stand. Dazu ergänzte ich ein wenig Action und (wenn ich mich richtig erinnere) eine Figur, die ich selbst erfunden hatte: einen einfachen Raumsoldaten, der mit Kämpfen nicht gut zurechtkam.

So weit, so gut. Als ich den Anfang des Manuskripts zur zuständigen ATLAN-Redakteurin Sabine Kropp schickte, kam er mit etwa eintausend Anmerkungen und Verbesserungsvorschlägen von ihr zurück. Keine davon lautete: »Aber das Exposé, lieber Christoph, sagt hier etwas anderes.«

Halten wir fest: Was der Verlag am Manuskript auszusetzen hatte, stand nicht im Zusammenhang mit dem Exposé.

Es war offenbar auf meinem eigenen Mist gewachsen. Ein anderer Autor hätte das ganz anders gemacht; besser wahrscheinlich. Aber ich ließ mich nicht unterkriegen und schrieb um, und am Ende war er fertig, mein erster ATLAN! Der viele Gedanken von Christian Montillon enthielt, obwohl er auf einem Exposé von Uwe Anton basierte.

Christian Montillon

PERRY RHODAN-Sonderband - Das Heft zum 60. Jubiläum
Redaktion, Perry Rhodan
PERRY RHODAN DIGITAL
ISBN/EAN: 9783845332468
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