Der »Mythos«-Zyklus und die Medien – Teil drei Eine Kolumne von Alexandra Trinley über gesellschaftliche Serienhintergründe

1. August 2021

Im PERRY RHODAN-Roman »Wo die Äonenuhren schlagen« (Band 3124, geschrieben von Oliver Fröhlich) wurde ein umfangreicher Beitrag von Alexandra Trinley veröffentlicht – als ein Teil des aktuellen PERRY RHODAN-Reports.

Diesen Beitrag dokumentieren wir an dieser Stelle. Wegen seines Umfangs bringen wir ihn in drei Teilen: Vorgestern veröffentlichten wir den ersten Teil, gestern kam Teil zwei, heute schließen wir mit dem dritten Teil ab.

 

Moderne Figuren auf der Positivseite

Sprechen wir über das Positive! Das Prinzip der Verfälschung brachte, wie im Innenteil des Jubiläumsbands 3100, eine Bandbreite schöner Mythengeschichten hervor. Es erzeugte einen zupackenden, entschlussfreudigen (und moralisch fragwürdigen) Opt-Atlan und eine optimierte Arkonidenprinzessin, bei denen mehr los war als bei den »echten« Serienfiguren. Es erzeugte den Mythos vom neuen Golem, der diesmal die Cairaner retten sollte, und weitere Geschichten.

Ein wiederkehrender Aspekt in den aktuellen Zyklen sind die Positiv-Mythen um Perry Rhodan. Etwa im früh abgespaltenen und durch Isolation rassistisch gewordenen Zweiten Solaren Imperium, in dem Rhodan in die Rolle als Großadministrator gezwungen wird, in der seine Bewunderer ihn sehen wollen. Oder, aktueller, im Trojanischen Imperium, dessen Historiomimen ebenfalls recht mythische Versionen des Serienhelden und seiner Werte weitergeben – beides Konstellationen, in denen Uwe Anton mit seinem Hang zur subtilen Diskrepanz seinen Spielplatz fand (nachzulesen in PR 2922 und PR 3106). Auch Leo Lukas lässt immer wieder politisch aktive Wirrköpfe auftreten, so die Pagedi in PR 2796. Das sind moderne Figuren.

Alles Gefakte bindet emotional jedoch nur kurzfristig. Das Aggregat Etain, die unvollständige Persönlichkeit der Zemina Path – das brachte wenig Empfindung hervor. Der emotionale Volltreffer des »Mythos«-Zyklus war dann auch eine unabsichtliche Folge davon: Bevor Leo Lukas Gucky sterben ließ, waren die Vorgängerromane mit Anspielungen auf Fakes und Klone durchsetzt, so dass denkende Leser*innen hätten vermuten können, was der Roman schilderte: der gefakte Tod eines Fake-Gucky, der von einem seltsam reagierenden Atlan durchgewinkt wurde.

Das ging schief. Statt zu vermuten, dass sich die Manipulationen der Cairaner auf das zentrale Personal der Serie ausdehnten, entfachten entzürnte Leser einen Aufruhr in der Fan-Szene, der seinesgleichen suchte. Anspielungen, Handlungsaufbau, Figurencharakteristik, Logik und Wahrscheinlichkeit, auch persönliches Vertrauen zu den Autoren wurde weggewischt, als der Eindruck entstand, dass es mit Gucky, dem Helden der Kindheit, dem watschelnden Nagezahnträger mit dem dicken Po, den Krummbeinen und dem großem Herzen, ein Ende haben könnte. Bei diesem Vorgang sahen wir nun doch, was einen echten Mythos ausmacht.

Der »Mythos«-Zyklus enthält viele Mythen, doch kaum solche, die uns Leser bewegen, und die wenigen emotionalen Identifikationspunkte waren nicht unproblematisch, wenn etwa Opt-Atlans Bereitschaft, über Leichen zu gehen, angesichts der tollen neuen Tatkraft nicht gesehen wurde. Immerhin wurde Perry Rhodan als Figur greifbarer und bekam mehr Privatleben.

Im Zyklusfinale spielte das Aufräumen all der Verwirrung keine ernsthafte Rolle. Die Milchstraßenvölker entschlossen sich zur Solidarität, die Cairaner verschwanden, das Chaos wurde im Zeitsprung zum nächsten Zyklus versenkt.

Sehen wir den Zyklus als ein Abbild seiner Entstehungszeit, so ist zu hinterfragen, inwiefern diese Zerfahrenheit ein Thema der aktuellen Epoche ist. Die Parallelen zu unserer Wirklichkeit waren überwältigend, doch aufgehoben fühlte sich in ihnen kaum jemand. Das sollte uns allerdings nicht wundern, tauchen wir doch alle gern in bunte Storys, Bilder, Mythen und Medien ein, statt Unangenehmes zu sehen – also in soziale Medien, Serien oder auch in die bunte Welt einer Heftromanserie.

Wir folgen dabei einem Fluchtimpuls, der uns die Wirklichkeit ertragen lässt. Wir sind in dieser Hinsicht alle kleine Cairaner – und wer mag schon Cairaner sein?

Dass der Zyklus so Knall auf Fall beendet wurde, ohne die meisten Probleme gründlich abzurunden, passt andererseits auch. Wir mögen unseren Zeitgeist nicht, möchten entkommen und geraten in Fluchtmechanismen, bei denen wir uns die Wirklichkeit passend einfärben. Das ist sowohl die Chance wie auch das Problem des vergangenen Handlungsabschnitts der PERRY RHODAN-Serie.