Der Redakteur erinnert sich Eine Tagung in Heiligendamm – Teil 1

1. Juni 2020

Ich wurde ein wenig nervös, während das Wochenende näher rückte: Am Freitag, 18. April 2008, war ich als PERRY RHODAN-Chefredakteur zu einem großen Treffen aller Führungskräfte der Verlagsgruppe Bauer eingeladen. Zwar gab es wenige Berührungspunkte zwischen unserer Science-Fiction-Serie auf der einen und den vielen Zeitschriften aus ganz anderen Bereichen auf der anderen Seite, aber ich war gespannt darauf, welche Gespräche ich führen würde und ob ich neue Kontakte knüpfen könnte.

Der Verlag stellte den Chefredakteuren und Abteilungsleitern frei, mit dem Flugzeug oder mit der Bahn anzureisen. Ich entschied mich – wie immer in solchen Fällen – für die Bahn. Am Donnerstag setzte ich mich in den Zug, hatte einige Manuskripte und Fachzeitschriften dabei und fuhr nach Hamburg. Der Zug war pünktlich, ich hatte meine Ruhe, und ich konnte sogar einiges arbeiten. Am Dammtor stieg ich aus, ging die paar Meter zum Hotel und checkte in meinem Zimmer ein.

Die Kollegen, die mit dem Flugzeug angereist waren, traf ich nicht an. Also nutzte ich die Chance zu einem Spaziergang, aß allein eine Kleinigkeit, ging ins Hotelzimmer und setzte mich an den Computer. Ich checkte die Mails, beantwortete Anfragen und schrieb Feedbacks zu den Texten, die ich während der Fahrt gelesen hatte. Und natürlich sah ich nach, was sich in unserem Forum auf der PERRY RHODAN-Seite während des Tages getan hatte.

Später erst entschloss ich mich dazu, die Einladung anzunehmen, die ich im Vorfeld erhalten hatte. Im »Top Of Town«, einer Bar im obersten Stock des Radisson Hotels, direkt am Dammtorbahnhof gelegen, fand eine kleine Party statt. Viele Verlagsleute waren da, es war ziemlich voll.

Ich genoss den grandiosen Blick über das Lichtermeer der Stadt, trank ein Glas Bier und unterhielt mich ein wenig. Allerdings blieb ich nicht lang, es war nicht meine Art von Party. Zwar gab es einige Menschen, die ich kannte, und einige weitere, die ich vielleicht hätte kennenlernen können, aber die Musik war sehr laut und jenseits meines Geschmacks. Da verzog ich mich doch lieber zeitig auf mein Zimmer und fühlte mich nicht einmal schlecht dabei.

Am nächsten Morgen ging es schließlich sehr früh los; immerhin sollte der Bus mit den anderen Chefredakteuren bereits um 7.15 Uhr vom Hotel aus abfahren. Ich verzichtete auf ein Frühstück, rasierte mich gründlich und saß zeitig genug im Bus. Bis es losging, hatten wir allerdings acht Uhr. Die Fahrt an die Ostsee dauerte eine ganze Weile, in der ich mich mit Kollegen und Kolleginnen unterhielt oder in Manuskripten las.

Das Grand Hotel in Heiligendamm erwies sich als so beeindruckend, ja, sogar protzig, wie ich es erwartet hatte und aus Fernsehbildern kannte. Im Jahr zuvor war der G8-Gipfel genau an dieser Örtlichkeit veranstaltet worden; ich war gebührend beeindruckt. Allerdings wurde ich nicht im Haupthaus einquartiert, sondern kam – wie die meisten der anderen Abteilungsleiter – in eines der Nebengebäude. Trotzdem empfand ich das Hotelzimmer als prunkvoll, die gesamte Anlage begeisterte mich.

Leider hatte ich nicht genug Zeit, mir die Anlage genauer anzusehen. Die Tagung begann.

Es gab einen einleitenden Vortrag von Heinz Bauer, dem Inhaber des Konzerns, der unter einigen technischen Problemen litt. Unter anderem funktionierten die Mikrofone anfangs nicht. Der Verleger war kein Mann, der gern im Licht der Öffentlichkeit stand; entsprechend kurz blieb sein Vortrag. Entscheidend war sicher seine Formulierung, er wolle sein Unternehmen »in die Hände« seiner Töchter geben.

Unter dem Titel »Erfolgreiche Print-Produkte« wurden wir über Zeitschriften informiert, die innerhalb des Konzerns gut liefen. Vorgestellt wurde das Magazin »welt der wunder«, dazu eine britische Zeitschrift namens »life & style«. Verständlich, dass ich mit »wdw« mehr anfangen konnte; sowohl der Chefredakteur als auch der Verlagsleiter wirkten sehr glaubhaft und sympathisch in ihrem Jubel über das Erreichte. Ich witterte bereits Möglichkeiten, wie man diese Zeitschrift und PERRY RHODAN zusammenbringen könnte.

In der Mittagspause nutzte ich die freie Zeit, um ein wenig spazieren zu gehen. Ich war seit Jahren nicht mehr an der Ostsee gewesen, vor allem nie in dieser Region.

Die gesamte Anlage um das Grand Hotel von Heiligendamm machte auf mich einen starken Eindruck: Die klassisch-weißen Mauern des Hotels, die Seebrücke, der Blick auf das Meer – das alles faszinierte mich. Rechts und links des Hotels erhoben sich alte Villen, teilweise in einem eher lädierten Zustand. Ich genoss den Spaziergang trotz des kühlen Windes, weil danach wieder mehrere Stunden in einem großen Seminarraum auf mich warteten.