Man kann wahrscheinlich über jedes Jahrzehnt sagen, in ihm habe sich das Leben der Menschen grundlegend verändert. In den 80er-Jahren aber war es für viele der heutigen Mitteleuropäer besonders auffällig: Die Konfrontation zwischen Ost und West, zu Beginn des Jahrzehnts noch äußerst angespannt, löste sich am Ende des Jahrzehnts auf, was vor allem in Berlin am stärksten zu spüren war. Das Privatfernsehen und der private Computer traten ihren Siegeszug an, die Digitalisierung begann. Und zahlreiche Modewellen entstanden, die noch Jahrzehnte später zu spüren waren.
Das alles zeigt der Journalist und Sachbuchautor Jens Balzer in seinem Buch »High Energy«. Der Untertitel fasst gut zusammen, was er im Inhalt präsentiert: »die Achtziger – das pulsierende Jahrzehnt«. Selbstverständlich kann ein solches Buch nicht alles zeigen, was in diesem Jahrzehnt passiert ist; Balzer versucht es allerdings so umfassend wie möglich.
Es ist keine Darstellung der politischen Verhältnisse, wenngleich die im Hintergrund immer eine Rolle spielen. Der Autor beleuchtet das Jahrzehnt aus popkultureller Sicht: Es geht um Musik und Moden, um gesellschaftliche Entwicklungen und Jugendkulturen, um eine »geistig-moralische Wende« mit all ihren Begleiterscheinungen und um all die Änderungen, die dieses Jahrzehnt mit sich brachte. Das Buch konzentriert sich in erster Linie auf Deutschland, vor allem die Bundesrepublik, wobei es aber immer stärker die DDR berücksichtigt – kein Wunder, steht am Ende des Jahrzehnts doch die Vereinigung der zwei deutschen Staaten an.
Ich habe die 80er-Jahre als junger Mann sehr intensiv erlebt. Ich erinnere mich an die Schulterpolsterjacketts und Dauerwellen, aber auch an den Erfolg neuer Musikrichtungen wie New Romantic oder HipHop, an das Aufkommen der ersten Computer für den Privatgebrauch und an Jugendkulturen wie die Popper oder Grufties. Die 80er-Jahren waren alles andere als einheitlich, und jeder Mensch, der sie erlebt hat, wird eine andere Erinnerung an sie haben.
Jens Balzers Verdienst ist es tatsächlich, die unterschiedlichsten »Stämme«, die sich in den 80er-Jahren ausbildeten, gleichermaßen abzubilden. Er zeigt auf, wie sich die politisch-gesellschaftliche Stimmung veränderte, wie Hunderttausende von Menschen in friedlichen Demonstrationen auf die Straße gingen und gleichzeitig der politische »Mainstream« von Helmut Kohl als Bundeskanzler neu ausgerichtet wurde.
Das Buch ist eindrucksvoll geschrieben. Balzer lässt an zwei, drei Stellen seine eigene Sicht der Dinge durchblitzen – wenn er beispielsweise mit feiner Selbstironie über ein Konzert schreibt, an dem er als Jugendlicher mit seiner damaligen Band teilnahm –, bleibt ansonsten aber stets auf journalistisch korrekter Seite. Er urteilt nicht über die manchmal schrägen Auswüchse der 80er-Jahre, sondern stellt sie in den zeitlichen und kulturellen Abläufen dar. So entsteht das Porträt eines Jahrzehnts, von dem viele Nachwirkungen bis heute zu spüren sind.
Wer sich für Kulturgeschichte im weitesten Sinne interessiert, sollte dieses Buch lesen. Es vermittelt nicht nur den »Zeitgenossen« spannende Eindrücke in ein Jahrzehnt, das lange vor unserer aktuellen Zeit liegt und einem doch in vielem noch so vertraut vorkommt …
Das Buch ist als schöner Hardcover-Band mit Schutzumschlag erschienen und hat einen Umfang von 460 Seiten. Mithilfe der ISBN 978-3-7371-0114-1 kann das Buch in jeder Buchhandlung bestellt werden; es kostet 28,00 Euro. (Das E-Book wird für 24,99 Euro angeboten.) Auf der Internet-Seite des Rowohlt-Verlages kann man sich mithilfe einer Leseprobe ein wenig mit dem Stil des Autors vertraut machen.
